Samstag, 23. Oktober 2021

Die Wahrheit der Dinge - Markus Thiele

Das darf nicht sein. Nicht schon wieder. Gerechtigkeit? Pah, dass ich nicht lache. Die zwei liebsten Menschen meines Lebens sind fort. Für immer.

Frank Petersen ist Strafrichter. Er hält sich für einen wahrheitsliebenden und gerechten Mann. Als ihn seine Frau samt Sohn auf unbestimmte Zeit verlässt, trifft ihn das eiskalt. Warum wollen ihn die Menschen in seinem Umfeld unbedingt missverstehen? Nicht nur im Privaten, besonders auch bei seiner Arbeit. Aus seiner Sicht bleibt er bei jedem Urteil objektiv und hält sich strikt an die Gesetzeslage. Wenn jemand ein Gesetz missachtet, ist er schuldig, da spielen Hintergründe, Motive, Religion oder Hautfarbe keine vordergründige Rolle. Und diese Unterstellungen, er wäre fremdenfeindlich. Das ist absurd. Peterson fühlt sich missverstanden, sein Ego bekommt Risse. Übersieht er etwas?

"Die Wahrheit der Dinge" von Markus Thiele arbeitet nicht nur fiktiv mit den Themen Vorurteile, Selbstjustiz und den maßgeblichen Grenzen des eigenen Denkens und Handelns, sondern versucht sich dabei an zwei realen Fällen zu orientieren. Das Vermischen beider, unabhängig voneinander stehenden, Rechtsfälle konfrontiert die LeserInnen mit der Frage von Schuld und Gerechtigkeit. Die Frage nach der Unfehlbarkeit der Gerichtsurteile steht dabei ebenso im Raum, wie die Frage nach der Beweggründe für eine Tat. Wie sieht die Wahrheit aus, wenn man nicht nur der eigenen sondern auch der von anderen gegenüber offen bleibt. Ist die Schuld eines oder einer Angeklagten zweifelsfrei nur durch deren Tat feststellbar?

Markus Thiele hat in seinem Roman den Fall Amadeu Antonio Kiowa und den Fall Marianne Bachmeier miteinander kombiniert. Im Grunde keine schlechte Konstellation, jedoch nicht ganz ausreichend in der Tiefe, da es sich um zwei sehr komplexe Sachverhalte handelt. Da der Autor Rechtsanwalt ist, sind die juristischen Grauzonen, die er mit "Die Wahrheit der Dinge" ins Licht rückt, dennoch gut nachvollziehbar. Der Roman ist ein gutes Beispiel für die Verknüpfung von Realität und Fiktion. LeserInnen, die nicht vordergründig an Fachbegriffen und kleinsten Deutungen, der zwei unterschiedlichen Urteile festhalten wollen, finden im Roman Lesefreude gepaart mit einer Portion Selbstreflektion und der Verantwortung für das eigene Handeln.

Mir persönlich hat der Roman gut gefallen, kein Pageturner, aber lesenswert. Mit ein paar mehr Worten hätte man sicherlich auf einiges mehr eingehen können. Den Schreibstil würde ich als unkompliziert beschreiben, der Protagonist war mir zu flach gezeichnet. Nichtsdestotrotz habe ich eine gute Lesezeit gehabt und konnte dank des Romans versuchen, die eigene Einstellung und das etwaige Handeln kurz zu hinterfragen. Schuld ist eben nicht gleich Schuld


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Die Wahrheit der Dinge - Markus Thiele
Gebundene Ausgabe - Belletristik- beneventobooks
ISBN 978-3-710-90128-7 - Preis: 22,00 €