Es ist nirgendwo schöner als Zuhause. Nirgends fühlst du dich geborgener und verstanden, als hier. Auch wenn dieses Zuhause nur eine Sozialwohnung im verregneten London ist.
Berthold ist Anfang fünfzig und wohnt zusammen mit seiner Mutter in einer Londoner Sozialwohnung. Er ist Schauspieler, zur Zeit aber ohne Engagement. Ringsum entstehen immer mehr Eigentumswohnungen. Berthold ist froh, dass die Wohnung seiner Mutter weiterhin subventioniert wird und er sich nicht auf dem hoffnungslos überteuerten Londoner Wohnungsmarkt umsehen muss. Doch dann wird seine Mutter krank und verstirbt unerwartet im Krankenhaus. Wie gut, dass die alte Dame namens Inna, die mit im Krankenzimmer liegt, offensichtlich keine engeren Verwandten in London hat. Vielleicht kann Berthold mit ihr das System überlisten und in seiner gewohnten Umgebung bleiben. So nimmt ein ungewohntes Wohungskomplott seinen Lauf.
"Lubetkins Erbe" ist ein Roman, der vor allem von seinen skurrilen Charakteren lebt. Marina Lewycka malt mit ihren Figuren den Leserinnen und Lesern dabei sehr häufig ein breites Grinsen ins Gesicht. Der Plot besitzt eine große Portion Situationskomik, was es einem leicht macht, der Geschichte bis zum Ende zu folgen, auch wenn das Buch mit seinen 446 Seiten recht üppig daherkommt. Die Autorin lässt ihren Roman aus zweierlei Sicht erzählen. Zum einen ist da Berthold, der alternde Schauspieler ohne Engagement, der bei seiner Mutter lebt, weil er einen Schicksalschlag erleiden musste und zum anderen die junge, engagierte Violet, die am liebsten die Welt verbessern möchte und dabei immer wieder an ihre Grenzen stößt.
Marina Lewycka hat eine wunderbar komische Art bestimmte Szenen zu beschreiben und dabei dennoch sozialkritisch das Leben der einzelnen Figuren herauszuarbeiten und zu transportieren. So ist der Roman keine reine Komödie, die locker leicht von den Ungeschicken der menschlichen Spezies erzählt, sondern vor allem auch dem Blick in gewisse Abgründe der Gesellschaft freie Sicht bietet. Verpackt wird das Ganze in ein Konstrukt aus witzigen Verwicklungen mit korrupten Politikern, Plänen von Eigentumswohnungen, einer Beerdigung, Erbschleichern, alleinstehenden Damen und Herren, einigen Kirschbäumen, einer Taube mit nur einem Bein und einem vorlauten Papagei.
Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, einzig mit dem lieben Berthold wurde ich nur teilweise warm. Seine Ansichten, seine Äußerungen und sein Handeln konnte ich nicht immer nachvollziehen. Ab wann sind Männer in der Midlifecrisis? Oh, perfekt. Das erklärt einige Dinge. Dennoch ist er der Charakter, den ich am wenigsten mochte. Aber auch Violet fand ich oberflächlich und vor allem naiv. Eine zusätzliche Macke hätte ihr gut gestanden, so machte sie eher den konservativsten Eindruck. Flossie, den Papagei, hingegen, hätte ich gern adoptiert. Herrlich verrückt, der Vogel!
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Lubetkins Erbe oder von einem, der nicht auszog - Marina Lewycka
Belletristik - dtv Verlag - Broschiert
ISBN 978-3-423-26160-9 - Preis: 16,90 € (D) / 17,40 € (A)