Dienstag, 26. November 2019

Die Magie der Worte

Worte besitzen Kraft, sie besitzen Macht. Doch sie sind auch magisch. Worte können trösten, können helfen, vielleicht sogar heilen, sie geben Geborgenheit und sie erzählen Geschichten, wahr oder ausgedacht. 


Für ein Kleinkind ist es eine große Leistung, wenn das erste Wort aus dessen Mund kommt. Nicht selten ist es das Wort "Mama" und dieses verzaubert ungemein. Die Bindung zwischen Mutter und Kind ist nicht nur spürbar sondern nun auch hörbar. Im Laufe unseres Lebens erlernen wir bis zu 10.000 Wörter unserer Muttersprache. Täglich im Gebrauch sind davon meist nicht mehr als 800 verschiedene Wörter. Und selbst diese geringe Zahl wird von den Wenigsten von uns erreicht. Viel zu oft schweigen wir, sprechen nicht aus, was wir denken, was wir fühlen. Immer auf der Hut niemanden zu verletzen und selbst nicht verletzt zu werden. 

Gerade der letzte Ansatz lässt die meisten Menschen vor Gesprächen mit "Fremden" zurückschrecken. Dabei kann es sich für beide Seiten lohnen. Es ist erschreckend, dass eine Frau in der U-Bahn sitzt, offensichtlich weint und die Hälfte der Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung sieht aus dem Fenster, wo es nur kalte, dunkle Wände zu sehen gibt. Was würdest du tun? Denkst du, was geht mich fremdes Leben an? Ich kenne diese Frau nicht. Vielleicht wäre es ihr unangenehm, wenn ich sie frage, ob es ihr gut geht, auch wenn es das offensichtlich nicht tut. Und dennoch könntest du aufstehen und sie fragen, vielleicht kurz bevor du aussteigen willst. Dann ist es ein kurzer Moment, aber einer, der der Frau signalisiert, dass sie gesehen wird, dass sie nicht allein ist. Du wärst über deinen Schatten gesprungen und hättest mit deinen Worten einen Zauber von Mitgefühl hinterlassen. 

In meinem Leben gab es bereits einige verzauberte Wortmomente, aber der Größte war kurz vor dem Tod eines mir sehr nahestehenden Menschen. Dieses Gespräch verzaubert mich bis heute. 889 Tage sind seit diesen Worten vergangen. Sie schweben immer in mir, sie trösten mich, sie heilen mich. Ich trage sie in meinem Herzen und ich bin glücklich darüber, dass ich dieses Gespräch begonnen habe, obwohl ich wusste, dass es mich in einer Weise verletzen wird, die nur sehr schwer zu ertragen ist. In diesem Moment habe ich nicht an mich gedacht, sondern an meine Gesprächspartnerin. Ich habe mich kurzzeitig in Ihre Lage hineingefühlt. Ich habe ihren Kampf gespürt, ihren Schmerz und ihre Liebe zu mir. 

Seit diesem Moment versuche ich bewusster mit meinen Worten umzugehen. Ich möchte niemanden vollquatschen, außer meine Herzmenschen vielleicht, weil die wissen, wie ich etwas meine. Generell möchte ich mehr Gespräche führen, die nicht nur mich bereichern. Ich möchte zuhören, wo es gebraucht wird und mich selbst öffnen, wo mir zugehört wird. Mit offenen Augen durch das Leben gehen, heißt auch, mit offenen Ohren und mit offenem Herzen. Manchmal ist es nicht leicht, sich selbst zu überwinden. Ich weiß das. Aber es lohnt sich, das kann ich bestätigen. Dennoch ist es gerade heute einfacher, auf das Smartphone zu starren, Textnachrichten zu schreiben, die nicht selten reduziert in ihrer Sprache sind. Die Umwelt ausschalten, ist nicht leben. Es ist blind und taub werden. Vielleicht ist es dann zu spät, jemandem ein paar einfache Worte zu schenken, die für diese Person Magie bedeuten.


Dieser Beitrag sind meine Gedanken zur Blogparade #wortesindmagisch von Sandra Wickert.