Was macht man, wenn man eine Autorin treffen kann, die in derselben Stadt geboren wurde, wie man selbst. Die ein Buch zu einem Thema geschrieben hat, von dem man glücklicherweise nicht alles wahrgenommen hat. Richtig! Man überwindet den inneren Geier, der sich ständig meldet, wenn man wieder einmal unsicher ist. Dann führt man ein Interview. Ein Interview mit einer sehr sympathischen Autorin.
Wie kam es zu "Kranichland", liebe Anja? Gab es einen Auslöser oder ein Erlebnis, dass du dich gerade dem Thema DDR gewidmet hast?
Nein, ein Erlebnis gab es nicht. Ich wollte gern ein Buch schreiben. Vor allem wollte ich ein Buch über eine Familie schreiben, die man über einen längeren Zeitraum begleitet, am besten drei oder vier Generationen. Ich habe dann geschaut, was ich machen könnte, welche Konflikte es in einer Familie geben könnte. Natürlich habe ich mir dann überlegt, wo ich das ansiedle. Da hat sich die DDR gut angeboten. Das ist wie eine Insel. Es ist eine Mauer drum, man kommt nicht ohne weiteres raus. Der Raum ist begrenzt, was optimal für das Zeigen von Konflikten ist.
Das Buch hat aus meiner Sicht ein wahnsinnig gut sortiertes Handlungsgerüst. Es ist schwer durchschaubar, ab und zu verworren. Hast du das genau so im Kopf gehabt, war es geplant oder hat es sich entwickelt?
Ich habe nur wenig geplant. Ich hatte eine Ausgangssituation und wusste ungefähr, wo ich hinwollte. Nach jedem Kapitel habe ich mir eine Wordtabelle erstellt und dort vermerkt, was passiert ist, damit ich es nicht vergesse. Tatsächlich habe ich ohne geplanten Plot geschrieben. Ich habe einen Schreibratgeber, in dem steht, dass ich plotten müsste. Okay, also habe ich mich hingesetzt und versucht zu plotten. Aber ehrlich, nach 5 Minuten dachte ich, was für ein Sch...Also habe ich es nicht benutzt. Mir kommen die Ideen einfach auch beim Schreiben selbst oder wenn ich ein bestimmtes Lied höre und da eine Textstelle drin ist, die mich inspiriert. Am Ende muss ich natürlich schauen, dass alles zueinander läuft.
Das Buch endet mit einem Satz und einige Leser sind der Meinung, dass es ruhig noch weiter gehen könnte.
Ja, es ist ein bisschen fies. Aber ich finde das gut, weil man als Leser noch weiter überlegen kann. Gerade Wieland ist eine sehr spannende Figur, eben weil man auch so wenig von ihm weiß. Aber um deine Frage vorweg zu nehmen. Eine Fortsetzung ist derzeit nicht in Planung.
Wie lange hat es ungefähr gedauert, bis die Idee zum Buch wurde?
Das waren 6 Monate. Ich musste das quasi in einem Wisch machen. Ich habe ja auch noch einen Beruf und Familie. Manche schreiben weitaus länger. Da ich freitags immer frei habe, wurde dieser Tag mein Schreibtag. Am Wochenende konnte ich dann ab und zu schreiben, wenn das Kind bei den Großeltern war.
Man fühlt sich durch den Roman schon sehr in die Zeit der DDR zurückversetzt. Hast du denn konkrete Erinnerungen an deine Kindheit in der DDR?
Meine Erinnerungen zeigen mir Alubesteck, Amalgamfüllungen, Schule. Viele fragen ob der Roman autobiografisch ist. Ist es nicht, aber ich habe mal ein Mickey-Mouse-Heft mit in die Schule in Dresden gebracht. Wir haben damals ja alle Altstoffe gesammelt. Dazwischen war so ein Heft. Das hat mir gefallen und ich habe es einfach mitgenommen. Dafür habe ich dann einen Eintrag ins Muttiheft erhalten, dass ich so etwas nicht mit in die Schule bringen darf.
Du hast bereits erwähnt, dass du freitags frei hast. Wie kann man sich einen Schreibtag bei dir vorstellen?
Ich stehe am liebsten früh auf, mach mir einen Kaffee, gehe eine rauchen, danach klappe ich den Laptop auf und dann schreibe ich. Morgens kommen mir häufig die besten Ideen, am Nachmittag kann ich dann eher die Textstellen überarbeiten. Ich schreibe ca. 10 Seiten und gebe das dann meinem Mann zum Lesen. Manchmal überlegen wir dann gemeinsam, wie es weitergehen könnte.
Schreibst du dann nur zu Hause oder auch schon mal unterwegs?
Nein, ich brauche Ruhe. Unterwegs oder im Cafe, das ist mir zu wuselig. Es läuft auch keine Musik.
Hast du selbst noch Zeit zum Lesen? Kannst du etwas spontan empfehlen?
Wenn ich schreibe, dann lese ich wenig oder sogar gar nicht. Der Inhalt und der Schreibstil eines anderen Buches haben Einfluss auf das, was ich schreibe. Meine Angst dabei ist dann, dass man ungewollt Ideen klaut. Ich bin dann nicht so frei beim Schreiben. Eine Buchempfehlung habe ich trotzdem. "Was man von hier aus sehen kann" von Mariana Leky ist etwas verrückt, fantasievoll und ich mag es wirklich sehr gern.
Du hast nun schon einige Interviews mitmachen können. Gibt es denn eine Frage, die du gerne mal beantworten würdest, die aber kaum einer oder gar keiner gestellt hat?
Es gibt ja diese Frage, woher die Ideen direkt kommen. Das fragt kaum einer. Und ehrlich gesagt, hätte ich da auch keine Antwort drauf. Sie kommen halt einfach. Während des Schreibens habe ich von meinen Figuren geträumt, was zeitweise etwas gruselig war. Klingt ein bisschen nach Esoterik, aber ich habe in meinen Träumen dann gesehen, wie es weitergehen könnte.
Kannst du dir vorstellen ein ganz anderes Genre zu bedienen, wenn du von deinen Figuren träumst?
Das glaube ich nicht. Ich mag noch Lyrik, aber das lesen leider die Wenigsten. Ich bleibe lieber beim Roman, vielleicht noch in einer anderen Zeit und was mit Vögeln, damit du es lesen kannst.
Ach, ein Pinguin würde es auch tun, so als flugunfähiger Vogel. Als letzte Frage, meine Buchgefieder-Frage: Wenn du ein geflügeltes Tier sein könntest, welches wäre das und warum?
Das ist eine ganz schön schwere Frage. Ich tendiere zu einer geflügelten Giraffe, weil Giraffen meine Lieblingstiere sind. Allerdings ist das eine komische Vorstellung, weil diese Tiere sowieso schon so groß sind, wie sollen da die Flügel aussehen, damit sie fliegen können. Außerdem haben Giraffen so schöne Augen und Klimperwimpern. Aber sie sollten wirklich kleinere Flügel haben. Am besten eine Babygiraffe mit wackeligen Beinen und kleinen Flügeln, die behindert dann auch nicht so den Flugverkehr.
Vielen Dank liebe Anja Baumheier für dieses sehr angenehme Interview!
Meine Rezension zum Roman "Kranichland" findet ihr hier.