Hallo ihr Lieben! Gestern öffnete sich bereits Türchen Nummer 19 des Tintenhain-Blogger-Adventskalenders mit einem Beitrag der lieben Desiree. Heute ist es an der Zeit, dass ihr hier bei mir das 20. findet.
Anfangs habe ich überlegt, was ich wohl am besten beitragen könnte. Schreib was, dachte ich. Am besten etwas, in dem sich vielleicht der ein oder andere wiederfindet, oder der wenigstens etwas schmunzeln muss, während er meine Worte liest. Ich hoffe sehr, dass mir dies gelungen ist und ihr ganz viel Spaß beim Lesen haben werdet!
Ich wünsche euch einen tollen 4. Advent!
Oh Tannenbaum!
"In der Weihnachtsbäckerei...gibt es manche Leckerei...", ich höre, wie die Kinder in der Küche trällern und wie meine Nerven langsam zu zerreißen drohen. Warum um alles in der Welt spielen wir verrückt, wenn der Heilige Abend bevor steht? Lara kommt ins Wohnzimmer von oben bis unten in Mehl getaucht. Ich grinse. Sie sieht aus, als wolle sie Olaf, dem Schneemann die Show stehlen. "Du, Papa, willst du auch ein paar Plätzchen ausstechen?" Bevor ich etwas antworten kann, ruft Finn bereits aus der Küche: "Der Papa isst sie dann lieber!" Meine Frau Susanne erklärt den Beiden: "Nein, der Papa soll dann gleich den Weihnachtsbaum aufstellen.", erklärt sie unseren beiden Kindern.
Der Weihnachtsbaum! Oh nein! Ich hab den Baum vergessen. Was ist heute für ein Tag? Der 20.? Gut dann wird es auf einem der Märkte doch wohl noch einen ordentlichen Baum geben. Leise schleiche ich in den Flur. Nehme meine Jacke, die Geldbörse und die Autoschlüssel. Vorsichtig steige ich in meine Stiefel und schon bin ich auf dem Weg zum nächsten Baumarkt. 'Last Christmas I gave you my heart...' Och nö, denke ich. Diese olle Kamelle passt jetzt so gar nicht zu meiner Stimmung. Kurzerhand schalte ich das Autoradio aus. Sicher ist sicher. Wer weiß, was die noch für weihnachtliche Ohrwürmer bereit halten. Kurz vor dem Baumarkt sehe ich einen kleinen Stand, der Weihnachtsbäume zu verkaufen hat. Prima!
Das Auto ist schnell geparkt und ich auf dem Weg zu einem der breitgrinsenden mit blinkender Weihnachtsmütze geschmückten Verkäufer. "Ich brauche dringend einen Weihnachtsbaum." Der Verkäufer schaut mich an und meint: "Was darf es denn für einer sein?" "Ein möglichst gerader mit Nadeln dran!", entgegne ich. Was soll die blöde Frage? Der Verkäufer räuspert sich: "Ich meinte eher, welche Baumart?" Nach dem ich mich, nach einer langen Einführung zum Thema und dem Studieren der Preisliste, für eine Fichte entschieden habe, stellt der Verkäufer fest, dass alle Fichten bereits reserviert sind. Meine Frage, ob das ein Scherz sei, beantwortet er zunächst mit einem Grinsen und schüttelt dann seinen Weihnachtsmützenkopf. Ich versuche Mitleid zu erregen und schmolle vor mich hin. Er zeigt mir reumütig die wohl schiefeste Nordmanntanne, die mir je unter die Augen gekommen ist. Nein, die nehme ich ganz bestimmt nicht mit. Mein Stolz und ich machen kehrt, steigen wortlos ins Auto und fahren weiter.
Auf einem Schild lese ich: 'Weihnachtsbaum zum Selberschlagen'. Spitze! Dann wird das doch noch ein lustiger vierter Advent. Doch bevor ich auf dem Parkplatz aus dem Auto steige, sehe ich sie. Die Weihnachtsbesessenen mit ihren blinkenden Rentiergeweihen und Weihnachtsmützen auf dem Kopf. Mit ihren in dicken Handschuhen steckenden Patschehändchen und dem obligatorischen Glühweinwarmhaltebecher. Beim Aussteigen rolle ich leicht mit den Augen, worauf ich ein vor Herzlichkeit triefendes "Frohe Weihnachten" ernte. Gerade als ich mich nach einer Axt erkundigen will, flötet mir eine ältere Dame entgegen: "Sie kommen aber spät junger Mann. Hier gibt es keine schönen Bäume mehr. Nur noch so kleine, schiefe." Das darf doch wohl nicht wahr sein. Aber egal. Ich will mich selbst davon überzeugen. Also hole ich mir beim netten Servicemitarbeiter eine Axt und stiefle los. Sein Gezeter im Hintergrund verstehe ich nicht und will es auch gar nicht. Ich will jetzt einen Baum. Eine kleine Weile stiefle ich durch den Wald, der irgendwie schon ziemlich gerodet aussieht. Dann sehe ich ihn. Meinen Weihnachtsbaum deluxe. "Der ist aber mindestens 3 Meter hoch!" Erschrocken drehe ich mich um. Der Holzschreiheini von vorhin steht vollkommen außer Puste neben mir. Hm, 3 Meter, vielleicht doch etwas zu groß. "Sagen Sie mal, haben Sie denn nicht noch irgendwo ein Bäumchen, was nicht so groß ist?", frage ich den Herrn, der sogleich seine Stirn in Falten wirft. Vorsichtig zeigt er auf den einzigen Baum, der noch in der näheren Umgebung ungeschlagen steht. Mir entgleisen sämtliche Gesichtszüge. Da steht kein Baum, das ist allenfalls ein Besenstiel mit vier bis fünf Zweigen dran und schief ist der auch noch. Ich drücke dem Holzheini die Axt in die Hand und renne, so schnell ich kann, zum Auto.
Wie soll ich meiner Frau und den Kindern erklären, dass es hier keinen ordentlichen Weihnachtsbaum mehr gibt? Vor allem, weil Susanne mich bereits vor einer Woche gebeten hat, mich um einen Baum zu kümmern. Vollkommen in Gedanken sehe ich vor mir plötzlich Warnblinklicht und kann gerade noch eine Vollbremsung hinlegen. Ich schlittere mit dem Wagen quer über die Straße, durchbreche ein Stück Gartenzaun und knalle gegen eine kleine Tanne. Sofort kommt der Besitzer des Grundstückes aus dem Haus gerannt. "Oh du meine Güte, geht es Ihnen gut?", er klopft an meine Fensterscheibe. Verwirrt öffne ich die Tür und nicke. "Danke, alles bestens. Frohe Weihnachten!" Der Mann guckt mich entsetzt an. "Finden Sie das witzig? Sie fegen mit ihrem Auto durch meinen Vorgarten, ramponieren ihr Fahrzeug und säbeln meine Tanne fast nieder!" "Tut mir leid.", sage ich etwas kleinlaut. "Wollen sie einen Tee?", fragt der alte Mann ganz unvermittelt. "Warum eigentlich nicht. Vielen Dank." Wir lassen die Szenerie, so wie sie ist und stiefeln gemeinsam in die warme Stube hinein.
Ein kleines Häuschen außen mit Fachwerk verziert und altem Kamin im Inneren, lässt auch bei mir so langsam Weihnachtsstimmung aufkommen. Der alte Mann setzt einen Kessel mit Wasser auf, dann setzt er sich zu mir an einen alten Holztisch. Sein weißer Kinnbart bringt mich zum Lächeln. "Wissen Sie, dass Sie dem Weihnachtsmann verdammt ähnlich sehen?" Er nickt und zwirbelt mit seinen Fingern am Bart herum. "Vor langer Zeit bin ich als Weihnachtsmann unterwegs gewesen. Das Leuchten in den Kinderaugen hat mich immer wieder fasziniert." Ich beobachte, wie er etwas wehmütig zu werden scheint, als er weiterspricht: "Aber in den letzten zwei Jahren wurde ich immer weniger gebraucht. Meine Kinder wohnen weit weg, meine Frau ist im letzten Jahr gestorben. Nun sitzt ich hier, Tag ein, Tag aus, vollkommen allein." Er steht auf, holt das heiße Wasser und füllt damit die Tassen. Dann gibt er einige getrocknete Blätter hinein. Es fängt sofort an, nach Minze zu duften. "Warum sind Sie eigentlich am vierten Advent unterwegs und nicht bei Ihrer Familie?", will der alte Mann wissen. "Ich sollte mich um den Weihnachtsbaum kümmern. Hab es aber vergessen. Alle Jahre wieder...wissen Sie. Gerade wollte ich ohne Geäst reumütig nach hause zurückkehren, als ich in ihren Vorgarten krachte.", mir kommt meine eigene Geschichte plötzlich so lächerlich vor. Der alte Mann fängt an zu grinsen. "Ach, jetzt finden Sie meine Geschichte wohl auch komisch?", schmunzle ich ihn an. Er schüttelt mit dem Kopf, läuft zum Kamin und nimmt die Axt, die dort neben dem Holzstapel liegt. Ich runzle die Stirn. "Kommen Sie, ich hab da eine Idee." Der alte Mann winkt mich hinter sich her. Mir dämmert langsam, was er tun will. "Aber..." "Nix, aber...Sie fahren jetzt Ihr Auto ein Stück zurück. So schlimm sieht der Schaden ja gar nicht aus." Vollkommen perplex tue ich, was mir geheißen. Kaum habe ich den Wagen von der Tanne entfernt, schlägt der alte Mann mit solch einer Kraft zu, dass das Bäumchen zu Boden kippt. Gemeinsam laden wir es in den Kofferraum. Zufrieden stiefeln wir zurück zum Haus. Dort schlürfen wir unseren Tee, der schon leicht kalt geworden ist. "Kommen Sie doch am Heiligen Abend zu uns.", fordere ich den alten Mann auf. Er schaut sichtlich erschrocken und doch etwas erleichtert. Ein zufriedenes Lächeln umspielt seinen Mund. "Ach und den Zaun repariere ich Ihnen selbstverständlich auch.", sage ich weiter. Er scheint nicht weiter zu überlegen: "Gut, aber nur, wenn Sie mich abholen und dabei dann die richtige Einfahrt benutzen." Sein Humor gefällt mir. Ein toller Zufall, auch wenn das Auto leichten Schaden genommen hat, denke ich, als ich kurze Zeit später nach hause fahre. Das wird mir Susanne erst glauben, wenn der alte Mann persönlich am Heiligen Abend meine Version der Weihnachtsbaumbeschaffung bestätigt. Und wenn sie die Kratzer am Auto sieht. Allerdings könnte ich ihr auch erst einmal nichts davon erzählen und hoffen, dass sie nicht hysterisch wird, wenn sie beim Singen von "Oh Tannenbaum" erfährt, dass ich gegen selbigen gekracht bin. Heimlichkeiten gehören doch zur Weihnachtszeit dazu, oder?!
In vier Tagen ist Heilig Abend. Ich hoffe sehr, dass ihr bereits einen Baum in eurem warmen Nestchen stehen habt. Oder verzichtet ihr gar darauf. Schreibt es mir doch gern als Kommentar! Ihr dürft auch gern eure Meinung zur Kurzgeschichte da lassen!
Ich wünsche euch eine wundervolle und besinnliche Weihnachtszeit. Genießt die Zeit im Kreis eurer Lieben! Morgen geht es im Adventskalender weiter bei der lieben Verena!
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