Mittwoch, 20. Mai 2015

Auf den Pfaden des Luchses - Tanja Mikschi


Siehst du den Luchs? So anmutig, so leise, mit seinen Pinselohren und seinem Backenbart. Ein flinker Einzelgänger, der bereits seit Hunderten von Jahren für die Gesunderhaltung seines Jagdreviers beiträgt. Ein Jäger, der vielleicht nicht unbedingt ausdauernd, dafür aber schnell und effektiv seine Beute jagt. Seine langen Beine und seine Tatzen hervorragend im Schnee gebrauchen kann und der gern in der Dämmerung unterwegs ist. Stell dir vor, solch ein anmutiges Tier, voll Entschlossenheit und Stärke wäre das Totemtier deiner Familie...

Mino-nokomis wächst um 1830 in der Siedlung St. Peter unter Weißen als Sohn eines Trappers und einer Indianerin auf. Anfänglich noch geduldet, nehmen einige der Siedler im Laufe seines Lebens eine ablehnende Haltung ein. Doch Mino-nokomis, den alle Weißen unter dem Namen Silas kennen, stört sich wenig daran. Hat er doch in David, einem Kaufmannssohn, einen wunderbaren Weggefährten und besten Freund gefunden. Die beiden verbringen sehr viel Zeit miteinander, bis Elias, der Vater von Silas, ihn mitnimmt auf eine Reise. Diese Reise soll dem Jungen das Tageswerk des Fallenstellers näher bringen und am Ende eine Begegnung mit der Familie seiner Mutter bescheren. Elias und Mino-nokomis wachsen zusammen, auch wenn Mino-nokomis seinem Vater nicht nacheifern möchte. Doch dann kommt der Tag des Aufbruchs und die Erkenntnis, dass im nächsten Jahr nichts mehr so sein wird, wie es war. Mino-nokomis möchte seine Mutter heimbringen zu ihrem Volk und Elias sieht ein, was er seiner Frau mit dem Leben unter Weißen angetan hat.


"Auf den Pfaden des Luchses" ist der Debütroman von Tanja Mikschi, die sich bereits in frühen Jahren für das Thema Native People und die Lebensweise indigener Völker interessiert hat. Das sie hier auch persönliche Einblicke in die Kultur verschiedener Völker hatte, ist diesem Historischen Roman sehr wohl anzumerken. So werden dem Leser verschiedene Rituale und Gewohnheiten der Native People näher gebracht, genauso wie die Welt der Weißen zu der damaligen Zeit. Tanja Mikschi beschreibt in ihrem Roman die Ablehnung und die Vorurteile gegenüber der indigenen Bevölkerung und veranlasst so, dass sich der Leser die Frage stellt, ob sich in all den Jahren irgendetwas an der Denkweise der Weißen verändert hat. Mit allen Facetten beschreibt die Autorin, welchen Stellenwert die Familie, das Leben im Allgemeinen unter den verschiedenen Völkern Nordamerikas hatte und noch hat. Ihre Figuren sind detailliert gezeichnet und schreiten vor dem geistigen Auge des Lesers den Plot entlang. Vollkommen authentisch wirken dabei nicht nur die Weißen, sondern insbesondere auch die Cheyenne oder die Ojibwe. Immer wieder wird der Leser Teil des Zwiespaltes in dem sich der Protagonist von Zeit zu Zeit befindet. Seine Gefühle werden dabei so projiziert, dass man meint, man stehe direkt hinter oder neben Mino-nokomis, man sehe durch seine Augen, höre mit seinen Ohren oder bewege seine Lippen zum Sprechen. Genauso verhält es sich auch mit der Umgebung, in der der Roman spielt. Hier meint man, dass man die Schneeflocken genauso fallen hört, wie man das Knacken des lodernden Holzes im Kamin vernehmen kann. Man atmet den leichten Duft von Büffelgras ein und spürt den eisigen Wind im Nacken. Dies alles macht diesen Roman, besonders auch durch die geradlinigen aber farbenfrohen Schreibweise der Autorin, zu einem sehr guten Historischen Roman, bei dem der Leser neben dem Plot auch Wissenswertes zu geschichtlichen Ereignissen in dieser Zeit erfahren kann. "Auf den Pfaden des Luchses" ist ein Roman voller Freundschaft, voller Hoffnung und voller Zwiespälte in einer Zeit, die vergangen, aber dennoch nicht aufgearbeitet ist. Lässt Tanja Mikschi auch recht nachdenkliche Leser zurück, so bekommt dieser Debütroman eine ganz klare Leseempfehlung.


Tanja Mikschi, geboren 1966 in Deutschland, beschäftigte sich früh mit dem Thema Menschheitsgeschichte. Dabei galt ihr besonderes Interesse vor allem den Kulturen indigener Völker Amerikas. Auf späteren Reisen konnte sie nicht nur diese Kulturen kennen lernen, sie bekam vor allem auch ganz persönliche Einblicke in das heutige Leben verschiedener Völker. Mit ihrem Debütroman wollte sie nicht den Anspruch auf ein ethnologisches Fachbuch erheben, vielmehr war es ihr ein Anliegen, "ein kleines Fenster in die Vergangenheit zu öffnen". Dies dürfte ihr hervorragend gelungen sein.


Auf den Pfaden des Luchses - Tanja Mikschi - TraumFänger Verlag
Broschierte Ausgabe - ISBN 978-3-941-48524-2
Historischer Roman - Preis 18,90 €

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