"Also...", dachte ich, "...was habe ich gerade gemacht?" Ich habe einen Goldfisch namens Ian auf dem Weg von der obersten Etage eines Wohnhauses hinunter zu ebener Erde begleitet. Während er fiel, sahen wir gemeinsam durch Fenster verschiedener Stockwerke und haben uns gefragt, was passiert, wenn Ian kurz vor dem Aufprall auf den harten Boden ist...
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(c) Dumont Buchverlag |
Goldfisch Ian schwimmt in seinem Glas täglich seine Runden. Seine Umgebung besteht aus Wasser, einer Burg und einer Schnecke namens Troy. Doch Troy redet nicht, er schiebt sich nur an der Glaswand entlang, mehr nicht. Eines Tages bekommt er diverse lautstarke Töne mit, die das Wasser in dem er schwimmt in Schwingungen versetzen. Ian nutzt diese und springt in hohem Bogen aus dem Glas in die Freiheit. Aber Goldfische denken nicht über ihr Handeln nach und so fällt Ian vom Balkon eines Hochhauses aus dem 27. Stock. Schnell zieht das Haus mit seinen vielen Etagen und Fenstern und noch mehr Geschichten von Menschen, die hinter diesen Mauern leben, an ihm vorbei. Doch was wird passieren, wenn er erst den Boden erreicht hat?
"Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel" ist der zweite Roman des Autors Bradley Somer. In diesem beschreibt er aus unterschiedlichen Sichtweisen bestimmte Minuten im Leben verschiedener Menschen, die alle irgendwie eine Verbindung haben und sei es auch nur, dass sie im selben Haus leben oder da ständig ein und aus gehen. Der Goldfisch steht zwar auf dem Cover im Mittelpunkt, sticht aber im Plot nicht mehr hervor, als jeder andere auch. Einzig die Frage seines Ankommens auf dem Fußboden lässt den Leser dieses kleine Kerlchen nicht aus den Augen verlieren. Die Figuren, die Bradley Somer in seinem Roman agieren lässt, sind wunderbar menschlich und sicher nicht jedem sympathisch. Da gibt es eine schon wahnsinnig reinliche Frau, die nie ihr Appartment verlässt, einen Jungen, der bei seinem Großvater lebt, einen Casanova, der plötzlich die Liebe zu nur einer Frau für sich entdeckt und eine Hochschwangere, die plötzlich allein vor der Entbindung ihres Kindes steht. Als ob das alles nicht schon zuweilen skurril anmutet, fallen die Fahrstühle des Hauses aus und der Großteil des Geschehens spielt plötzlich im Treppenhaus. Die unterhaltende Schreibweise, die hier und da auch poetische Züge aufweist, macht es dem Leser leicht, dem Plot zu folgen, auch wenn sich erst nach und nach bestimmte Fragezeichen im Kopf lösen. Der Leser hat das Gefühl, er schaut von vorn in eine Art offenes Haus, eine Puppenstube sozusagen. Spannung wird bei diesem Roman vorwiegend durch die wechselnden Ansichten auf die Personen hervorgerufen und doch liegt auch hier genau der kleine Wermutstropfen. Durch diese Perspektiven kommt es auch ab und an zu Wiederholungen, die der Leser als störend, manchmal gar als langatmig empfinden könnte. Dies ist zwar eher subjektiv, aber hätte zu mindestens in einigen Szenen etwas geändert werden können. Der Schluss hingegen ist offen geschrieben und doch lädt er den Leser zum Weiterführen der Geschichte im eigenen Kopf ein. Besonders die Danksagung des Autors sollte der Leser am Ende auf sich wirken lassen. Diese Verbindung, die der Autor erwähnt, lässt einen mit einem sehr warmen Gefühl zurück.
Bradley Somer wurde in Sydney, Australien geboren. Seit über 11 Jahren schreibt er vor allem zahlreiche Kurzgeschichten, die in literarischen Zeitschriften und Anthologien abgedruckt wurden. 2012 erschien sein erster Roman und 2015 folgte nun ein zweiter. Dieses Buch erschien in mehr als 15 Ländern und vielen Übersetzungen unterschiedlichster Sprachen.
Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel - Bradley Somer
Dumont Buchverlag - Broschierte Ausgabe
ISBN 978-3-832-19783-4 - Preis 14,99 €
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Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.