Dienstag, 17. März 2015

Wie zwei Pappkameraden den Weg ins Nestchen fanden

(...eine Kurzgeschichte zur Leipziger Buchmesse 2015)

Es war einmal ein großer Bahnhof in einer Stadt, in der viele Menschen zum größten Lesefest des Landes unterwegs waren. Zwei Cowgirls gingen an einem Sonntagvormittag genau dort in Richtung Ludwig-Buchhandlung, um zwei der musikalischsten Cowboys zu begegnen. Doch was war das? Zwei Stunden bevor die Jungs dort ihre Unterschriften in ihre kürzlich erschienen Kinderbücher setzen sollten, herrschte in der ehrwürdigen Halle noch gähnende Leere. Etwas verwundert nahmen sich die zwei Cowgirls die Zeit und tranken eine heiße Schokolade, richteten ihre Hüte und schlenderten dann an die vierte und fünfte Stelle in der Warteschlange. Bereits wenige Minuten später gesellten sich weitere Cowgirls und Cowboys in aufgeregter Erwartung hinzu. Dabei hatten die zwei hippeligen Cowgirls schnell Kontakt zu zwei weiteren Cowgirls und sogleich wurden Geschichten über TheBossHoss ausgetauscht. Die Zeit verging darüber wie im Flug. Die Jüngere der beiden Cowgirls, hing während der Wartezeit immer wieder mit den Augen an einer Kopie von Boss und Hoss. Wie gern würde sie diese Nachbildung aus Pappe in ihrem kleinen Kämmerlein zu stehen haben. Doch zum Nachdenken blieb keine Zeit, denn überraschend, weil eigentlich wenige Minuten zu früh, betraten TheBossHoss die Buchhandlung und hatten dabei leider einen etwas mürrischen Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich waren die letzten Tage voll mit Terminen und so langsam waren auch die beiden gestandenen Cowboys ausgelaugt. Nichts destotrotz nahmen sie sich die Zeit, jedem einzelnen eine Unterschrift zu setzen. Als dann die zwei Cowgirls an der Reihe waren, konnte sich Alec ein Augenzwinkern gegenüber dem jungen blonden Cowgirl nicht verkneifen und diese schmolz in Sekundenschnelle dahin. Sie war so perplex, dass sie vergaß nach einem Foto zu fragen, was dann allerdings das andere Cowgirl für sie übernahm. So huschte nach freundlicher Genehmigung das junge Mädchen zwischen die beiden Cowboys und alle drei versuchten sich an einer Grimasse. 


Danach signierten die zwei Cowboys noch munter weiter und die zwei verzückten Cowgirls gingen ihrer Wege. Plötzlich fiel dem jungen blonden Cowgirl ein, dass sie auch kleine Geschenke dabei hatte und diese ganz vergessen wurden in der Aufregung. Das große Cowgirl konnte sie beruhigen, denn schließlich würden TheBossHoss später auch noch auf dem Lesefest sein. So machten sich die zwei Cowgirls auf den Weg in die riesigen Hallen, die vollgestopft mit allerhand bunten Geschichten und Menschen waren. Verbrachten zwei wunderbare Stunden, um dann sogleich in Richtung Lesebude 2 zu stiefeln. Auch wenn noch 90 Minuten Zeit waren, bis die Jungs auf der Lesebühne erscheinen würden, so stellten die zwei Cowgirls doch fest, dass sie durch ihr frühes Dasein, sehr gute Plätze erhaschen konnten. Es stellte sich heraus, dass bereits wenige Minuten später kaum mehr ein Durchkommen an die vordere Front möglich war. Überall warteten nun kleine und große Cowgirls und -boys auf TheBossHoss. Und dann war es soweit. Die Menschen applaudierten und freuten sich, die zwei Großstadtcowboys endlich einmal nicht nur auf einem ihrer Konzerte zu sehen. Sichtlich locker und wahnsinnig gut gelaunt, beinah zu Späßen aufgelegt, machten die zwei Jungs einen wesentlich gelasseneren Eindruck als noch am Mittag. 


Eine sehr herzliche Moderatorin sprach mit Boss und Hoss über ihr Kinderbuch "Kleine Cowboys ganz groß" welches im Baumhaus Verlag erschienen ist. Es entstand eine lockere Frage-Antwort-Runde und alle Anwesenden hatte sichtlich ihren Spaß. Die ganz kleinen Menschen in den ersten Reihen waren genauso fasziniert, wie die ganz Großen in der letzten Reihe. Alec verriet, dass er zwar schon mal auf einem Pferd gesessen hatte, aber mit dem Reiten wohl eher nichts am Hut hatte. Er meinte, der Versuch zu reiten, sei ziemlich schief gegangen. Als es ums Thema Lesen ging, erzählten Sascha und Alec, dass sie schon als Kinder gern Karl May gelesen und die Winnetou Filme gesehen hätten. Dass sie aber auch "Die Drei Fragezeichen" gelesen haben und dass es besonders Sascha wichtig sei, dass auch seine Kinder mit Geschichten groß werden. Selbstverständlich mussten die zwei auch etwas vorlesen. Was sie gern taten. Auf die Frage, ob die zwei Cowboys denn auch privat viel zusammen machen würden, antworteten sie eher gelassen und meinten, dass sie als Band schon genug Zeit zusammen verbringen, so dass sie auch mal getrennte Dinge vor allem privater Natur machen wollen. TheBossHoss plauderten über ihren Weg, ihre Musik, ihre neue CD, die wahrscheinlich im Herbst erscheinen wird und sie stellten auch schnell die Botschaft aus ihrem Kinderbuch in den Vordergrund. Man solle seinen Weg verfolgen und sich nicht beirren lassen, man soll das machen, was man kann und vor allem soll man es verteidigen. Man solle nicht kleckern sondern glotzen, um seine Träume wahr werden zu lassen. 


Nach ca. 25 Minuten durften die anwesenden kleinen und großen Menschen sich einreihen in eine Traube, die sich langsam um die zwei Cowboys zog. Eilig wurden Autogramme geschrieben und Fotos gemacht. Denn die Zeit war knapp. Nur ca. 20 Minuten waren dafür angesetzt, weil bereits der nächste Termin auf die Großstadtcowboys wartete. Währenddessen nutze das ältere Cowgirl die Gelegenheit und fragte beim Verlag an, ob es möglich wäre, einen der Aufsteller der Jungs aus Pappe zu bekommen. Dies wurde höflich aber bestimmt abgelehnt und das junge Cowgirl war kurz geknickt. Tröstende Worte der Cowgirlmama konnten zwar die Traurigkeit nicht verschwinden, aber das Verständnis dafür wachsen lassen. Plötzlich stürmte eine finstere Bandita durch den freien Raum zwischen den zwei Cowgirls und dem Verlag. Riss die Pappkameraden an sich und rannte mit ihnen davon. Vollkommen perplex und vor allem schockiert, schauten ihr einige umstehende Menschen nach. Die Augen des jungen Cowgirls füllten sich mit Tränen. Konnte dies wirklich gerade passiert sein? Waren alle Anwesenden Zeugen eines Diebstahls? Wurde solche Dreistigkeit denn auch noch belohnt? Welche Erziehung hat diese Bandita genossen? Noch in einer kleinen Schockstarre trafen sich die Blicke zwischen den zwei Cowgirls und den Verlagsmitarbeitern. Kopfschütteln, Fassungslosigkeit und vor allem endloses Entsetzen. Doch da erschien ein kleines Lächeln auf dem Gesicht der Cowgirlmama. Hatten die zwei nicht noch etwas in der Tasche? Zwei kleine Geschenke schlummerten dort für Boss und Hoss. Wieder nahm sie all ihren Mut zusammen, schilderte sowohl der Moderatorin, als auch dem Verlag, dass man viel zu aufgeregt gewesen sei heute Mittag. Nach einem kurzen Gespräch willigten die Herrschaften mit viel Verständnis schließlich ein, dass das junge Cowgirl die zwei großen Cowboys noch einmal ganz allein haben sollte, wenn auch nur für sehr wenige Minuten. Außerdem dürfe sie sich später noch ein Buch am Verlagsstand aussuchen. Schließlich wolle man keine traurigen Augen sehen und vor allem solle das nette Nachfragen wegen der Pappkameraden nicht noch bestraft werden. Das junge Cowgirl wurde auf einmal ganz aufgeregt und sehnte das Ende der kurzen Signierung herbei. 


Schließlich war es soweit und nachdem Sascha auf sie zuging und Alec folgte, waren dies sicher die schönsten Minuten in ihrem bisherigen Leben. Etwas zurückhaltend überreichte sie den beiden je eine Leipziger Lerche und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Besonders Sascha war gerührt und nahm das junge Mädchen sofort in den Arm, langsam folgte auch Alec und so fühlte sich das Cowgirl in den Armen der großen Cowboys sehr gut aufgehoben. Die Cowgirlmama knipste, bis die Finger glühten und so entstanden noch einige tolle Aufnahmen. Doch die Zeit drängte und TheBossHoss mussten ihren Weg fortsetzen. Die Cowgirlmama bedankte sich noch schnell und schwupps waren die Großstadtcowboys verschwunden. 


Das junge Cowgirl schwebte sichtlich und lächelte ununterbrochen vor sich hin. Ein schöner Anblick, der die finstere Bandita von eben vergessen ließ. Am Überlegen, ob sie wirklich am Stand des Bastei Lübbe Verlages noch ein Buch sich aussuchen sollten, stiefelten die zwei Cowgirls trotzdem in deren Richtung. Dort angekommen sah das junge Cowgirl erneut einen Aufsteller der zwei Jungs und stellte kurz fest, dass sie doch lieber einen dieser Pappkameraden hätte. Der nette Verlagsmitarbeiter kam und gab sich allerhand Mühe diverse Titel schmackhaft zu machen, aber das nun wieder etwas geknickte Gesicht des jungen Mädchens wollte sich nicht aufhellen. "Eigentlich lese ich gar nicht so oft.", sagte sie. "Das ist aber sehr schade. Ich weiß leider nicht, was ich da jetzt machen soll.", antwortete er. "Ich hätte halt gern einen Pappaufsteller", versuchte sie es erneut. "Ja, steht denn hier am Verlag noch einer?", wunderte sich der Herr. Das junge Cowgirl nickte und zeigte mit dem Finger hinter eine der Aufstellerwände. "Du bist aber hartnäckig. Gut, ich gehe noch einmal nachfragen.", lenkte der nette Herr schließlich ein. Er ging in Richtung der anderen Mitarbeiter und schloss sich mit einem der dort anwesenden Herren kurz, der auch zuvor das Dilemma mit der gestohlenen Pappfigur mitbekommen hatte. Dieser ging festen Schrittes auf die noch beim Verlag stehenden Pappkameraden zu und sagte zu dem jungen Cowgirl: "Du sollst deinen Aufsteller haben. Komm wir klappen ihn zusammen." Die Augen strahlen plötzlich und strahlen vor allem noch bis heute bei dem jungen Mädchen. Die zwei Cowgirls bedankten sich und die Cowgirlmama versprach, etwas zu diesem Erlebnis zu schreiben. Vollkommen glücklich lief das junge Mädchen durch die sich leerenden Hallen des Lesefestes. Verfolgt von beinah neidigen Blicken der anderen Besucher. Sie genoß es, die Pappkameraden durch die Gänge zu tragen. War beschwingt und zufrieden. Das Auto wurde kurzerhand etwas umgebaut und schon lagen Boss und Hoss im Pappformat auf dem Rücksitz. Die Sonne verließ den Himmel und das Auto setzte sich in Bewegung. An Bord hatte es zwei lächelnde Cowgirls, die diese Geschichte wohl nie vergessen werden.

The End


Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich beim Bastei Lübbe Verlag bedanken. Wir freuen uns, dass Höflichkeit auch für diesen Verlag an oberster Stelle steht und sie ziemlich spontan ihre Einstellung zur Weitergabe des Verlagseigentums geändert haben, um einen jungen Menschen sehr glücklich zu machen. Dankeschön dafür!

Ich hoffe sehr, dass meine kleine Kurzgeschichte gut leserlich (trotz der zuviel erwähnten Cowgirls) und vor allem unterhaltend geworden ist. Jegliche Kopie, Vervielfältigung oder Abdruck an anderer Stelle bedarf der Einwilligung meinerseits. Bitte seid fair und denkt dabei an das Urheberrecht.

(c) Karin Hillig