Kerstin Groeper
kam schon früh zum Schreiben, was nicht verwundert, wenn man weiß, dass
auch ihr Vater sich diesem widmete. Kerstin beschäftigte sich bereits
in ihrer Kindheit mit dem Thema "Native Americans" und führt ihre Arbeit
dazu nicht nur im schriftstellerischen Bereich darin fort.
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(c) Kerstin Groeper |
Die
Autorin des Monats Mai hat sich selbstverständlich auch einigen Fragen
des Buchgefieders gestellt. Um es gleich wieder vorweg zu nehmen. Das Du
ist bei Indianern üblich, also keine falsche Bescheidenheit und wir
legen los:
Buchgefieder: Wann genau kamst du das erste Mal mit dem Thema "Native Americans" in Berührung?
Kerstin Groeper:
Ich hatte bereits in den 80iger Jahren in Kanada Kontakt zu Indianern.
Ich war mit ihnen auf Kanutour durch den Algonquin Park und habe ihre
Reservation besucht.
Buchgefieder:
Hast du "Indianerliteratur" gelesen von diesem Zeitpunkt an und welche
Lektüre erachtest du heute noch als sehr lesenswert und informativ?
Kerstin Groeper:
Ich habe natürlich Karl May gelesen und dann festgestellt, dass
"Indianer" anders sind. Sie sind vor allen Dingen sehr humorvoll. Damals
habe ich "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" von Dee Brown
gelesen, das mich sehr beeinflusst hat. Von meinem Vater bekam ich dann
noch ein Buch von Fehrenbach über die Comanchen... das ich aber heute
nicht mehr empfehlen würde. Auch Cooper und Steuben schreiben viel
Klischee. Gut finde ich nach wie vor Liselotte Welskopf-Henrich und Mari
Sandoz. Heute gibt es inzwischen viele gute Bücher... wenn man Glück
hat auch von indianischen Autoren, wie zum Beispiel Alexis Sherman, Mary
Crow Dog, Joseph Marshall, Scott Momoday etc..
Buchgefieder: Wann hattest du den ersten Kontakt zu einem Native American und wie ging es dir damals dabei?
Kerstin Groeper:
Meinen ersten Kontakt zu Indianern hatte ich in Kanada. Ich war ein
bisschen entsetzt über die Armut, die ich dort gesehen habe... auch in
Kanada ging es den Indianern damals nicht gut. Und ich war erstaunt,
dass sie so viel lachen und immer Scherze machen. Das passte gar nicht
in das Bild des stoischen Wilden, der im Fernsehen zu sehen war. Ich war
auch erstaunt über die Gastfreundschaft und Großzügigkeit dieser
Menschen.
Buchgefieder:
Du sprichst Lakota, einen Dialekt der Siouxsprache. Wie genau hast du
diese Sprache erlernt? Was würdest du empfehlen, wenn man diese Sprache
erlernen möchte?
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(c) Karin Hillig "Kerstin in Aktion" |
Kerstin Groeper:
Es gibt einen Lehrer in Berlin (Martin Krueger)... das braucht man, um
überhaupt zu verstehen, wie die Sprache gesprochen wird und wie sie
aufgebaut ist. Indianische Sprachen sind kompliziert und schwer. Die
Lakotasprache hat gute Lehrbücher, ein Sprachforum und ein
Online-Wörterbuch. Wenn man mal kapiert hat, wie die Grammatik
funktioniert, kann man viele Wörter ableiten. Inzwischen würde ich nicht
mehr mit dieser Naivität an die Sprache herangehen. Viele traditionelle
Lakota wollen nicht, dass Fremde ihre Sprache lernen. Sie denken, dass
Sprache und Lebensweise untrennbar miteinander verbunden sind. Sie
sagen: "Wenn du die Sprache lernen möchtest, dann komm zu uns und lebe
wie wir. Lakota kin otehike." Der Weg der Lakota ist schwer. Damals
dachte ich halt, dass ich die Menschen besser verstehe, wenn ich ihre
Sprache spreche. Das stimmt ja auch... aber mit dem heutigen Wissen
würde ich die Sprache vielleicht gar nicht mehr lernen wollen. Viele
Lakota haben auch Bedenken, weil Plastikschamanen mit ihrem rudimentären
Wissen über die Sprache andere Menschen blenden und sich als
glaubhafter verkaufen. Es wird also Missbrauch mit der Sprache
betrieben. Daher kann ich die Bedenken durchaus verstehen.
Buchgefieder:
Wenn ich Menschen erzähle, für was ich mich interessiere, stellen sie
dies sogleich mit Karl May und seinem Winnetou gleich. Ist das bei dir
ähnlich? Wie versuchst du den Menschen näher zu bringen, dass es eben
nicht diese "Wildwestromatik" ist?
Kerstin Groeper:
Oh, das ist schwer! Viele wollen gar nichts über die Realität wissen.
Sie verbinden "Indianer" immer mit ihrer Kinder- und Jugendzeit und mit
den Klischees. Dass man auch spannende Romane für Erwachsene über dieses
Thema schreiben kann, ist mühsam zu vermitteln. Schulen laden mich
daher sehr gern ein... Indianer ist ja ein spannendes Thema für die
Kinder. Mein Anliegen sind jedoch die Romane für Erwachsene und die
politische Arbeit. Ich informiere, wie es damals wirklich war... meist
aus Sicht der Betroffenen und halte Vorträge über die jetzige Zeit oder
unterstütze Hilfsprojekte.
Buchgefieder:
Du bist nicht nur schriftstellerisch mit diesem Thema eng verbunden,
sondern engagierst dich auch darüber hinaus. Magst du hier in einigen
Sätzen erläutern, was du noch für diese Menschen tust?
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Aktuelles Buch |
Kerstin Groeper:
Ich bin sehr aktiv für Andrea Cox und die Lakota Horsemenship und das
Winterprojekt unterwegs. Beides sind Hilfsprojekte auf der Pine Ridge
Indianerreservation, die ich persönlich kenne und bei denen ich weiß,
dass das Geld tatsächlich ankommt. Pine Rigde ist eine der ärmsten
Reservationen in den USA. Außerdem organisiere ich die Konzert-Tourneen
von Mitch Walking Elk und Wade Fernandez, manchmal auch für andere
indianische Musiker. Hier ist inzwischen eine tiefe Freundschaft
entstanden, die mir sehr viel bedeutet. Es ist schwierig, Konzerte zu
organisieren, weil es kaum vermittelbar ist, dass Indianer Blues singen
und E-Gitarre spielen. Leichter wäre es, wenn sie nur trommeln und heya,
heya singen.
Buchgefieder:
Du bist sehr impulsiv, wenn es um das Thema "Yakari" geht. Diese
Trickfilmserie spiegelt leider nicht nur das Leben der Native Americans
wieder, so wie es wirklich ist oder war. Wie könnte deiner Meinung nach
eine Serie aussehen, die sich mit diesem Thema beschäftigt?
Kerstin Groeper:
Ich mag Yakari... ich finde es nur wichtig, darüber aufzuklären, dass
es ebenso wie Wickie nicht die Realität wiederspiegelt. Kinder glauben,
dass alle Indianer wie Yakari sind... das stimmt natürlich nicht.
Grundsätzlich finde ich es gut, dass Kinder für dieses Thema begeistert
werden. Schön wäre es halt, wenn mal eine Serie produziert wird, in der
die verschiedenen Kulturen dargestellt werden und die Indianer wirklich
"indianisch" handeln. Zum Beispiel der respektvolle Umgang mit den
Ältesten, keine deutsch-frechen Kinder, keine Ponys auf einer Koppel,
keine Jagd aus sportlichem Wettbewerb, keine deutschen Märchenfiguren
umgesetzt auf "Indianer". Ich hätte da tausend Ideen und Geschichten...
Meine
Kritik galt eher dem Yakari-Musical. Hier finde ich es schade, dass
zwar ein soziales Projekt beworben wird, aber eben kein Projekt auf
einer indianischen Reservation. Hier nimmt man das Klischee, verdient
Geld, und gibt es nicht der Kultur, an der man sich bedient hat, zurück.
Außerdem agieren die Darsteller wie Animateure in einem Club
Mediterrané... das hat wirklich nichts mehr mit Indianern zu tun.
Buchgefieder:
Auch im Filmbereich wurde vieles von und mit Native Americans gedreht.
Ich war vor 18 Jahren in der Lake Traverse Indian Reservation am
dortigen College und habe mich mit einer indianischen Lehrerin
unterhalten. Sie hielt "Dance with Wolves" (1990) und "Broken Arrow"
(1950) für sehenswert. Welchen Film würdest du empfehlen und welchen
findest du einfach nur schlecht, weil er keinen Tatsachen entspricht?
Kerstin Groeper:
Ich mag "Dance with Wolves" auch. Das Lakota wird dort sehr gut und
flüssig gesprochen. Außerdem mag ich "Dreamkeeper", "Into the West",
"Bury my heart at Wounded Knee" (obwohl ich die Darstellung von Sitting
Bull dort nicht für gelungen halte), "Crazy Horse", "Son of the Morning
Star", "Windwalker" und "Grey Owl". Ganz schlecht finde ich "Ein Mann,
den sie Pferd nannten". Richtig schlecht fand ich auch die Dokumentation
über "Die weiße Komantschin", die letztens erst lief. Hier stimmt
wirklich gar nichts. Ich bin ja mal auf die Reaktion der Comanchen
gespannt.
Ich
mag Filme, in denen indianische Schauspieler indianische Rollen
spielen. Es gibt wirklich gute Schauspieler! Adam Beach, Michael
Greyeyey, die Spears-Brüder, Gil Birmingham, Tantoo Cardinal, Graham
Green, Wes Studi, Sheila Tousey und Tonantzin Carmelo. Ich mag auch
"moderne" Filme wie "Powwow Highway", "Dance me outside", "Smoke
signals" etc..
Buchgefieder:
Zurück zu deiner Arbeit. Hast du bereits neue Ideen in der Schublade?
Worauf dürfen sich deine Leser freuen? Du hattest einmal kurz erwähnt,
einen Plot für ein anderes Genre zu schreiben. Welches Genre wird das
sein, wann könnte es erscheinen und unter welchem Namen wird es
veröffentlicht?
Kerstin Groeper:
Ich schreibe gerade ein Buch über ein Cheyenne-Mädchen. Das muss ich
nur noch überarbeiten. Außerdem habe ich einen fertigen Krimi, der in
Italien handelt. Ich glaube, dass ich historisch eher bei Indianern
bleiben werde, weil mir diese Welt sehr nahe ist. Da "fließen" die
Geschichten. Ansonsten schreibe ich wohl eher etwas "Modernes". Ich kann
mir gerade nicht vorstellen, mich ins Mittelalter einzuarbeiten. Aber
man kann ja nie wissen, wozu ich irgendwann mal Lust habe.
Buchgefieder: Was siehst du, wenn du von deinem Schreibtisch aus, aus dem Fenster blickst?
Kerstin Groeper: Da sehe ich die Berge... den Wendelstein.
Buchgefieder: Hast du in einer Buchhandlung in der dein Buch lag, dieses schon einmal umsortiert?
Kerstin Groeper:
Ja, ich habe mal "Kranichfrau" aus der Kinderbuchecke herausgeholt und
dem Buchhändler erklärt, dass das Buch sicher nicht "jugendfrei" ist. Er
wusste dann nicht, wo er es hinstellen sollte, weil ein Indianerbuch in
seinen Augen kein "Historischer" Roman sei. Er hat es dann zu den
"Bestsellern" gestellt... das fand ich in Ordnung.
Buchgefieder:
Die letzte Frage ist wie bei allen bereits veröffentlichten Interviews
die Buchgefieder-Frage. Wenn du ein beflügeltes Tier wärst, welches
wärst du dann und warum?
Kerstin Groeper:
Der Adler? Nein, das wäre ja Klischee... grins. Wahrscheinlich ein
Falke... er schlägt zu, wenn man es nicht erwartet, ist wendig und
schnell, und er kann prima im Wind gleiten. Er greift selbst den Adler
an... ich bin manchmal zu ehrlich, da ist mir die Respektlosigkeit und
der Mut des Falken also nahe.
Vielen
Dank, liebe Kerstin, dass du dir die Zeit genommen hast und so ehrlich
auf meine Fragen geantwortet hast. Liebe buchgefiederten Freunde, ich
hoffe sehr, dass ihr beim Lesen des Nestgezwitschers genauso viel Spaß
habt, wie ich beim Erdenken der Fragen und vielleicht Kerstin bei der
Beantwortung. Ich freue mich jetzt schon auf ein Wiedersehen mit der
Autorin noch in diesem Monat in Radebeul.