Donnerstag, 19. Dezember 2013

Nestgezwitscher mit Titus Müller

(c) Sandra Weniger
Selbstverständlich darf auch dieses Mal wieder das Gezwitscher mit meinem Autoren des Monats nicht fehlen. Ich habe Titus Müller nun schon einige Male bei Lesungen erleben dürfen und am besten hat mir an ihm immer gefallen, dass man merkt, wieviel Zeit und Herzblut er in seine Bücher investiert. Dies ist auch bei seinen Antworten auf die buchgefiederten Fragen zu spüren. Vielen lieben Dank dafür! Auch dieses Mal war der nette Herr Schriftsteller gleich beim per Du. Bitte also nicht wundern, aber wenn mir gesagt wird, wir bleiben beim Du, dann bleiben wir beim Du. Mich persönlich stört dies weniger, denn ich finde es schön, wenn Autoren nicht unnahbar sind. Sie sind halt auch nur Menschen. 

So nun aber genug geplänkelt, hier findet ihr unser Gezwitscher:

Buchgefieder: Du schreibst Historische Romane, tauchst dabei in längst vergangene Zeiten ein. Was fasziniert dich als Autor an dem Leben von früher?

Titus Müller: Ich finde spannend, wie es sich von unserem unterscheidet. Und dann, dass es in manchen Dingen doch unserem Alltag ähnlich ist. Bei den Recherchen zu „Nachtauge“ haben mich zum Beispiel die Holzvergaser-Autos verblüfft,  Autos, die nicht mit Benzin fuhren, sondern mit Holz. Und ich habe mich gefragt, wie die Menschen 1943 den Kinobesuch genießen konnten, wenn vor dem lustigen Film, sagen wir, mit Heinz Rühmann, die „Wochenschau“ lief und Krieg und Sterben zeigte. Wie konnten die Kinobesucher sich nach solchen schrecklichen Szenen auf eine lustige Komödie umstellen? Dann wurde mir klar: Heute ist genauso! Wir sehen in den Nachrichten um acht Berichte über den Krieg in Syrien oder die Taifunopfer auf den Philippinen, und dann, 20:15 Uhr, gucken wir einen unterhaltsamen Film.

Buchgefieder: Wäre es dir vorstellbar auch einen Gegenwartsroman zu veröffentlichen?

Titus Müller: Vorstellbar schon. Andererseits gibt es so viele historische Themen, die mich noch interessieren würden. Mal sehen.

Buchgefieder: Du schreibst nicht nur, du liest auch selbst sehr viel. Auf deiner Homepage steht, dass du lieber nur gelesene Bücher in dein Regal stellst. Wie groß muss man sich den Stapel Bücher daneben vorstellen?

Titus Müller: Ich habe inzwischen eine gute Lösung gefunden: Ein eigenes Regal für die ungelesenen Bücher. Ich liebe diesen Moment, wenn ich vor dem Regal stehe und mir die nächste Lektüre aussuche. Worauf habe ich jetzt Lust? Neue Bücher zu beginnen ist immer wie eine Reise in ein unbekanntes Land, und ich bin sehr reiselustig. 

Buchgefieder: Welches Genre bevorzugst du, wenn du selbst Leser bist?

Titus Müller: Ich kann mich für vieles begeistern. Literarisches und Unterhaltsames, Fantasy, Historisches, Sachbücher, Biografien, Thriller. Man könnte sagen, ich lese wild durcheinander.

Buchgefieder: In einer Lesung sagtest du mal, wenn du nicht Autor wärst, dann wärst du wahrscheinlich Rechercheur. Leider gibt es diesen Beruf als solchen nicht. Wie muss man sich die Recherche zu einem Buch von dir vorstellen. Besuchst du auch die Orte, die du beschreibst?

Titus Müller: Doch, doch, den Beruf gibt es. Und er muss Riesenspaß machen. Für meine Romane war ich in der Türkei, in England, in Portugal, in der Schweiz und in den USA unterwegs, und ich habe archäologische Ausgrabungsstätten besucht, habe Schafen beim Grasen zugesehen, heimlich Fotos in Museen gemacht, wo das Fotografieren verboten war, natürlich ohne Blitz, und bin in unterirdischen Städten herumgekrochen. Die Recherche ist einer der Gründe, weshalb ich meinen Beruf so liebe. Dazu gehört nicht nur das Reisen, ich lesen auch viel über die Zeit, in der die Geschichte spielt, besorge mir historische Landkarten und Briefe und Fotos, und ich frage Fachleute um Rat, wenn ich in einer Sache nicht weiter weiß.

(c) Sandra Weniger
Buchgefieder: Wenn du gerade an einem Plot arbeitest, kann es da während der Recherche auch zu Ideen für neue Geschichten kommen?

Titus Müller: Das ist mir schon oft passiert. Ich schreibe diese Ideen auf und lege sie für später beiseite. Natürlich ist der erste Impuls, dass man die Idee sofort weiterverfolgen will, aber das würde nur dazu führen, dass ich mich verzettele.

Buchgefieder: Wenn du an deinem Schreibtisch sitzt und aus dem Fenster schaust, was siehst du?

Titus Müller: Wir ziehen gerade um. Vom alten Schreibtisch aus habe ich in einen Garten mit Teich und großen Bäumen gesehen, vom neuen Schreibtisch aus blicke ich über eine Wiese zu einem baumbestandenen Flußufer hin.

Buchgefieder: In deinem Leben hast du dir so manches Ritual entwickelt. Wie wichtig sind dir solche wiederkehrenden Rituale und sind diese beim Schreiben ebenfalls wichtig?

Titus Müller: In schwierigen Zeiten helfen einem Rituale weiter. Zum Beispiel hilft es mir, wenn ich mal eine anstrengende Phase beim Schreiben erlebe, mich immer zur gleichen Uhrzeit mit einer Tasse Tee an den Schreibtisch zu setzen. Der Tee ist wie ein Signal: Weiter geht’s.

Buchgefieder: Zum Schluss noch eine Frage, die ich jedem Autor hier stelle. Wenn du ein beflügeltes Tier wärst, welches Tier würdest du dann sein und warum?

Titus Müller: Oh, das ist eine schöne Frage! Ich habe als Kind oft geträumt, dass ich fliegen kann. Das waren schöne Träume. Wenn ich heute entscheiden dürfte, wäre ich gern eine Gammaeule. Das sind Nachtfalter, sie sehen nicht besonders hübsch aus mit ihren braunen Flügeln, aber sie sind sehr schlau: Diese kleinen Flattertiere legen weite Strecken zurück, sie reisen hunderte Kilometer, sogar über die Alpen, und merken sich Küstenlinien, Straßen und Gebirge, und wenn der Wind sie von ihrem Weg abbringt, gleichen sie das aus, indem sie sich am Stand der Sonne orientieren, bis wieder bekannte Gebiete in Sicht kommen. Als kleiner Eulenfalter könnte ich auch mal Menschen besuchen, ohne dass sie sich erschrecken, und könnte weite schöne Reisen unternehmen.

Vielen Dank, Titus Müller, dass du dir die Zeit genommen und meine Fragen sehr ausführlich beantwortet hast. Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Schriftstellerjahr 2014!