Selbstverständlich darf auch dieses Mal wieder das Gezwitscher mit meinem Autoren des Monats nicht fehlen. Ich habe Titus Müller nun schon einige Male bei Lesungen erleben dürfen und am besten hat mir an ihm immer gefallen, dass man merkt, wieviel Zeit und Herzblut er in seine Bücher investiert. Dies ist auch bei seinen Antworten auf die buchgefiederten Fragen zu spüren. Vielen lieben Dank dafür! Auch dieses Mal war der nette Herr Schriftsteller gleich beim per Du. Bitte also nicht wundern, aber wenn mir gesagt wird, wir bleiben beim Du, dann bleiben wir beim Du. Mich persönlich stört dies weniger, denn ich finde es schön, wenn Autoren nicht unnahbar sind. Sie sind halt auch nur Menschen.
So nun aber genug geplänkelt, hier findet ihr unser Gezwitscher:
Buchgefieder: Du
schreibst Historische Romane, tauchst dabei in längst vergangene Zeiten ein.
Was fasziniert dich als Autor an dem Leben von früher?
Titus Müller: Ich finde spannend, wie es sich von unserem
unterscheidet. Und dann, dass es in manchen Dingen doch unserem Alltag ähnlich
ist. Bei den Recherchen zu „Nachtauge“ haben mich zum Beispiel die
Holzvergaser-Autos verblüfft, Autos, die
nicht mit Benzin fuhren, sondern mit Holz. Und ich habe mich gefragt, wie die
Menschen 1943 den Kinobesuch genießen konnten, wenn vor dem lustigen Film,
sagen wir, mit Heinz Rühmann, die „Wochenschau“ lief und Krieg und Sterben
zeigte. Wie konnten die Kinobesucher sich nach solchen schrecklichen Szenen auf
eine lustige Komödie umstellen? Dann wurde mir klar: Heute ist genauso! Wir
sehen in den Nachrichten um acht Berichte über den Krieg in Syrien oder die
Taifunopfer auf den Philippinen, und dann, 20:15 Uhr, gucken wir einen
unterhaltsamen Film.
Buchgefieder: Wäre es dir vorstellbar auch einen
Gegenwartsroman zu veröffentlichen?
Titus Müller: Vorstellbar schon. Andererseits gibt es so viele
historische Themen, die mich noch interessieren würden. Mal sehen.
Buchgefieder: Du schreibst nicht nur, du liest
auch selbst sehr viel. Auf deiner Homepage steht, dass du lieber nur gelesene
Bücher in dein Regal stellst. Wie groß muss man sich den Stapel Bücher daneben
vorstellen?
Titus Müller: Ich habe inzwischen eine gute Lösung gefunden: Ein
eigenes Regal für die ungelesenen Bücher. Ich liebe diesen Moment, wenn ich vor
dem Regal stehe und mir die nächste Lektüre aussuche. Worauf habe ich jetzt
Lust? Neue Bücher zu beginnen ist immer wie eine Reise in ein unbekanntes Land,
und ich bin sehr reiselustig.
Buchgefieder: Welches Genre bevorzugst du, wenn du
selbst Leser bist?
Titus Müller: Ich kann mich für vieles begeistern. Literarisches und
Unterhaltsames, Fantasy, Historisches, Sachbücher, Biografien, Thriller. Man
könnte sagen, ich lese wild durcheinander.
Buchgefieder: In einer Lesung sagtest du mal, wenn du nicht Autor wärst, dann wärst du wahrscheinlich Rechercheur. Leider gibt
es diesen Beruf als solchen nicht. Wie muss man sich die Recherche zu einem
Buch von dir vorstellen. Besuchst du auch die Orte, die du beschreibst?
Titus Müller: Doch, doch, den Beruf gibt es. Und er muss Riesenspaß
machen. Für meine Romane war ich in der Türkei, in England, in Portugal, in der
Schweiz und in den USA unterwegs, und ich habe archäologische
Ausgrabungsstätten besucht, habe Schafen beim Grasen zugesehen, heimlich Fotos
in Museen gemacht, wo das Fotografieren verboten war, natürlich ohne Blitz, und
bin in unterirdischen Städten herumgekrochen. Die Recherche ist einer der Gründe,
weshalb ich meinen Beruf so liebe. Dazu gehört nicht nur das Reisen, ich lesen
auch viel über die Zeit, in der die Geschichte spielt, besorge mir historische
Landkarten und Briefe und Fotos, und ich frage Fachleute um Rat, wenn ich in
einer Sache nicht weiter weiß.
Buchgefieder: Wenn du gerade an einem Plot
arbeitest, kann es da während der Recherche auch zu Ideen für neue Geschichten
kommen?
Titus Müller: Das ist mir schon oft passiert. Ich schreibe diese Ideen
auf und lege sie für später beiseite. Natürlich ist der erste Impuls, dass man
die Idee sofort weiterverfolgen will, aber das würde nur dazu führen, dass ich
mich verzettele.
Buchgefieder: Wenn du an deinem Schreibtisch sitzt
und aus dem Fenster schaust, was siehst du?
Titus Müller: Wir ziehen gerade um. Vom alten Schreibtisch aus habe ich
in einen Garten mit Teich und großen Bäumen gesehen, vom neuen Schreibtisch aus
blicke ich über eine Wiese zu einem baumbestandenen Flußufer hin.
Buchgefieder: In deinem Leben hast du dir so manches Ritual entwickelt. Wie wichtig sind dir
solche wiederkehrenden Rituale und sind diese beim Schreiben ebenfalls wichtig?
Titus Müller: In schwierigen Zeiten helfen einem Rituale weiter. Zum
Beispiel hilft es mir, wenn ich mal eine anstrengende Phase beim Schreiben erlebe,
mich immer zur gleichen Uhrzeit mit einer Tasse Tee an den Schreibtisch zu
setzen. Der Tee ist wie ein Signal: Weiter geht’s.
Buchgefieder: Zum Schluss noch eine Frage, die ich jedem Autor hier stelle. Wenn du ein
beflügeltes Tier wärst, welches Tier würdest du dann sein und warum?
Titus Müller: Oh, das ist eine schöne Frage! Ich habe als Kind oft
geträumt, dass ich fliegen kann. Das waren schöne Träume. Wenn ich heute
entscheiden dürfte, wäre ich gern eine Gammaeule. Das sind Nachtfalter, sie
sehen nicht besonders hübsch aus mit ihren braunen Flügeln, aber sie sind sehr
schlau: Diese kleinen Flattertiere legen weite Strecken zurück, sie reisen
hunderte Kilometer, sogar über die Alpen, und merken sich Küstenlinien, Straßen
und Gebirge, und wenn der Wind sie von ihrem Weg abbringt, gleichen sie das aus,
indem sie sich am Stand der Sonne orientieren, bis wieder bekannte Gebiete in
Sicht kommen. Als kleiner Eulenfalter könnte ich auch mal Menschen besuchen,
ohne dass sie sich erschrecken, und könnte weite schöne Reisen unternehmen.
Vielen Dank, Titus Müller, dass du dir die Zeit genommen und meine Fragen sehr ausführlich beantwortet hast. Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Schriftstellerjahr 2014!